Wo liegen die Unterschiede?
Vor einigen Jahren beteiligte ich mich an einer Blogparade zum Thema „Selbstständigkeit oder Festanstellung?“ In meinem Beitrag beschrieb ich nicht nur die Vor- und Nachteile der beiden Modelle, sondern listete hilfreiche Fragen zur Selbstreflexion auf, die bei der Entscheidung für eines der Modelle unterstützen können. Schon damals habe ich mich weder explizit für das eine oder andere Modell ausgesprochen, sondern die Frage in den Raum gestellt, ob nicht auch Beides parallel funktionieren kann.
Ich selbst arbeite seit Jahren parallel angestellt und freiberuflich. Ganz bewusst habe ich für mich die Entscheidung getroffen, freiberufliche Aufträge anzunehmen (Kleinstunternehmerregelung) und kein Unternehmen zu gründen (Selbstständigkeit).
Diesen Unterschied zu betonen, ist mir an dieser Stelle wichtig, denn Personen, die sich nebenberuflich eine Selbstständigkeit im eigenen Unternehmen (ggf. auch mit Angestellten) aufbauen, stehen vor ganz anderen Fragestellungen und Herausforderungen, als ich in der Freiberuflichkeit als „One-Woman-Show“. Etwas Input zu den Unterschieden zwischen Freiberufler*innen und Gewerbetreibenden gibt es unter anderem auf steuern.de.
Gründe für die Frage und erste Lösungsansätze
Warum greife ich dieses Thema erneut auf, obwohl ich mir bereits vor Jahren intensiv Gedanken gemacht und einen Artikel dazu geschrieben habe?
Zum einen habe ich nicht nur mir selbst in den letzten Monaten hin und wieder die Frage gestellt, ob ich mich nicht doch irgendwann einmal zu 100 Prozent für das eine oder andere Modell entscheiden möchte (muss?). Auch in meinem beruflichen und privaten Umfeld beobachte ich immer wieder, dass sich Personen die gleiche Frage stellen, sich mit einer Entscheidung schwertun, zögerlich sind und Bedenken haben, sich möglicherweise falsch zu entscheiden…
An dieser Stelle hilft es, tief in sich hineinzuhorchen, die eigenen Wünsche und Bedürfnisse zu reflektieren, das Umfeld einzubeziehen und ins Gespräch zu gehen. Reflexionsfragen für einige erste Antworten auf die Frage nach Anstellung, Freiberuflichkeit bzw. Selbstständigkeit oder einer Kombination habe ich als Download zusammengestellt:
Eine mögliche Antwort auf die Gretchenfrage
Ich möchte an dieser Stelle zunächst Mut machen: Meiner Erfahrung nach gibt es beim Arbeitsmodell keine falsche Entscheidung, solange wir gute Gründe dafür haben, warum wir welches Modell wählen, wir unseren Werten treu bleiben und unsere fachlichen sowie persönlichen Stärken gewinnbringend einsetzen können. Zudem ist eine einmal getroffene Entscheidung keineswegs bindend oder irreversibel. Wenn wir merken, dass das gewählte Modell doch nicht für uns passt, können wir selbstverständlich unsere Richtung ändern und wieder einen anderen Weg einschlagen. Die Zeiten linearer Karrierewege sind mittlerweile Geschichte.
In den sieben Jahren, die ich mittlerweile mit Karrierepfade freiberuflich tätig bin, war ich etwas mehr als die Hälfte der Zeit parallel auch in Anstellung. Ich persönlich schätze die Zweigleisigkeit und habe derzeit nicht vor, etwas daran zu ändern – auch, wenn ich meine Entscheidung natürlich ab und zu hinterfrage. Das dient dann aber mehr der Standortbestimmung und Selbstreflexion, ob ich noch immer den für mich „richtigen“ Weg gehe. Für mich habe ich die Gretchenfrage also beantwortet und ich möchte in diesem Beitrag einen subjektiven Einblick in die Vor- und Nachteile, die damit einhergehenden Herausforderungen und meinen Umgang damit geben.
Die Mischung macht’s (turbulent)
Für mich hat sich das Modell hauptsächlich deswegen bewährt, weil sich meine beiden Arbeitsgebiete thematisch und fachlich ergänzen. Ein für mich ganz essentieller Erfolgsfaktor, denn ich kann meine Erfahrungen, Tools und Kompetenzen sowohl in der Freiberuflichkeit als auch in der Anstellung gleichermaßen gut anwenden. Die Kombination macht mich persönlich und beruflich zufriedener – vor allem in Zeiten, in denen ich meiner Freiberuflichkeit aus Zeit- und Organisationsgründen nicht die notwendige Aufmerksamkeit schenken kann.
Und das ist auch eine meiner wichtigsten Erkenntnisse der vergangenen Jahre: Wer parallel in zwei Jobs arbeitet, wird definitiv zu irgendeinem Zeitpunkt einmal Abstriche machen, auch mal einen Auftrag ablehnen, Termine verschieben oder gar nicht wahrnehmen können. Nicht selten habe ich in den letzten Jahren Arbeitstage mit dem Gefühl beendet, nicht fertig geworden zu sein.
Ein persönlicher Einblick…
Ich bin nicht nur Projektkoordinatorin in Anstellung an einer Hochschule sowie freiberuflich Coach und Trainerin – ich habe Familie, diverse Hobbies und übe ein Ehrenamt aus. Zudem ist auch mein Ehemann berufstätig und regelmäßig dienstlich unterwegs. Organisationstalent, zeitnahe Terminabsprachen und ein gewisses Maß an Kompromissbereitschaft sind in unserem sogenannten Dual Career-Modell das A und O (klappt nicht immer 😉 aber auch diese Selbsterkenntnis gehört dazu).
Was mir dabei hilft, die verschiedenen „Bälle“ (berufliche und private Rollen) in der Luft zu halten:
- Das positive Mindset und meine Selbstwirksamkeitserwartung – also das Bewusstsein darüber, dass ich selbst es in der Hand habe, wie ich meinen Arbeitsalltag gestalte, und auch ich ganz allein dafür verantwortlich bin (nicht andere Personen und nicht die äußeren Umstände).
- Die Qualifizierung im Projektmanagement, die mir beim Planen, effektiven Zeitmanagement und der Priorisierung von Aufgabenpaketen hilft.
- Mein großes, internationales Netzwerk, das seit 2016 stetig wächst, und in dem ich mittlerweile für fast jede Fragestellung Ansprechpersonen habe bzw. vermitteln kann.
- Ausreichend Pausen und bewusste Entschleunigung. Ich tanke zum Beispiel Kraft beim Sport (Pilates, Joggen, Wandern) sowie bei Unternehmungen mit der Familie und Freunden.
- Fachliche Selbstfürsorge (wie ich es liebevoll nenne) in Form von Fortbildungen, aus denen ich regelmäßig sehr bereichert, inspiriert und mit neuer Motivation wieder an die Arbeit gehe.
- Hilfe suchen und Ratschläge annehmen können – ich habe sowohl im beruflichen als auch im privaten Umfeld Unterstützer, Mentoren und Gleichgesinnte, mit denen ich mich immer wieder austausche und Gedanken bespreche.
- Die innere Sicherheit und Gewissheit, dass ich etwas tue, hinter dem ich zu 100 Prozent stehe und das meinen Werten entspricht.
- Auch wenn ich manchmal denke, dass ich noch so viel mehr machen möchte und das Gefühl habe, dass mir dafür die Zeit fehlt. Mir hilft es dann, Erreichtes und Erfolge für mich sichtbar zu machen und darauf auch einfach einmal stolz zu sein.
Andere Erfahrungen und weitere Stimmen aus meinem Netzwerk
Als ich mit der Arbeit an diesem Artikel begann, habe ich meine Kontakte auf LinkedIn zu ihren persönlichen Erfahrungen befragt. Ich wollte wissen, ob sie sich bewusst für eines der beiden Modelle (Anstellung vs. Selbstständigkeit/Freiberuflichkeit) entschieden haben oder ebenfalls in einer Mischung arbeiten? Mich interessierten die Gründe und die erlebten Vor- und Nachteile? Ich freue mich sehr, dass einige Antworten zusammengekommen sind und möchte diese abschließend unkommentiert mit euch teilen:
Und wie ist das bei dir?
Mein Ziel mit diesem Artikel ist es, ins Gespräch zu kommen und weiteren Austausch anzuregen. Welche dieser Fragestellungen kommen dir bekannt vor, welche Erfahrung hast du gemacht, wie sieht dein ideales Arbeitsmodell aus? Kommentiere gern unter diesem Beitrag oder schreibe mir eine Nachricht an susan@karrierepfa.de.
Herzliche Grüße in alle Welt, Susan
P.s.: Stehst du gerade vor einer ähnlichen Fragestellung oder einer anderen Entscheidung, bei der du nicht weiterkommst? In den letzten Monaten habe ich tolle neue Tools erlernt und trainiert, mit denen ich dich gern bei deinem Anliegen unterstütze.